keep in contact - Kultur Niederösterreich FREI HAUS



© Erwin Uhrmann, Foto: Johanna Uhrmann, 2020


Erwin Uhrmann
Erdnahe Monde (Essay)


I (Ich / Ausgangspunkt)

In meiner Kindheit besaßen meine Eltern ein Ferienhaus im Waldviertel. Es befand sich auf einem Hügel, ein Stück abseits eines Sechshundert-Seelen-Dorfes auf siebenhundertvierzig Metern Seehöhe, und war nur über eine kurze Zufahrtsstraße an die Zivilisation angeschlossen. Das Haus war in einen ansteigenden Hügel hineingebaut, dessen Sohle sich etwa zweihundert Meter unterhalb, am Fuß einer steilen Wiese, und dessen Kuppe sich etwa einhundert Meter oberhalb, in einem Waldstück, befand. Auf der Wiese lernte ich als Kind Schifahren. Weil es keinen Lift gab, mussten meine Cousins und ich nach jeder Abfahrt seitlängs den Hügel hinauftreten.
Vor dem unteren Teil des Hauses befand sich eine asphaltierte Fläche, ein Park- und Wendeplatz, auf dem man Acht geben musste, nicht in die in den Boden versenkte Abdeckung der Sickergrube zu stolpern und sich die Knöchel zu verstauchen. Von der Terrasse im ersten Stock aus konnte man bis in das Alpenvorland sehen, über ein paar tiefe Schluchten und dichte, weitläufige Wälder hinweg. Vor dem Haus gab es nichts, das die Sicht trübte, nur auf der Seite, die dem Dorf zugewandt war, tarnte ein hoher, an Blättern reicher Baum den Großteil der Fassade. Im Wald dahinter lagen einige große Felsblöcke, die „Restlinge“ genannt werden. Eine Steinformation bildete ein Vordach, unter das ich mich setzen konnte, während nebenbei ein Lagerfeuer brannte. Obwohl ich als Kind kein großes Interesse an Karl May hatte, spielte ich dort mit meinen Cousins oft Winnetou und Old Shatterhand. So sehr ich die Zeit in diesem Haus jedes Mal herbeisehnte, fürchtete ich mich vor der tiefen Dunkelheit in den Nächten. Außer der gelegentlichen Störung durch ein Paar Autoscheinwerfer im Dorf gab diese Dunkelheit den Blick auf ein gigantisches Spektakel frei, den Sternenhimmel in all seinen Facetten, mit dem nebligen Band der Milchstraße, den Konstellationen der Himmelskörper vom Kleinen Bären bis zum Großen Wagen und natürlich einen gestochen scharfen Blick auf den Mond. (...)
Der ganze Text ist hier nachzulesen ...

Zum Referenzprojekt:
Herbert Golser, Schönberg am Kamp, 2013

Kurzbiografie:
Erwin Uhrmann ist Schriftsteller und lebt in Wien. Von ihm ist zuletzt der Roman „Toko" (2019) erschienen. Seit 2016 ist er Herausgeber der Reihe „Limbus Lyrik“.