Jakob Lena Knebl







© Jakob Lena Knebl, "High Heels oder Sneakers", Serie von vier Bildern, 100 Jahre Frauenwahlrecht, 2018, Foto: Christian Benesch
Ist die Wahl der neuesten modischen Accessoires relevanter als jene unserer politischen VertreterInnen? Haben politisches Handeln und der Kampf für Gleichberechtigung angesichts von Konsum und Warenbegehren an Dringlichkeit verloren? Auch wenn das Thema Feminismus heute mehrheitsfähig und zu einem Teil des Mainstreams geworden zu sein scheint, lassen die darüber geführten Diskussionen ein Geschichtsbewusstsein vermissen. Der lange und steinige Weg, den die für das Wahlrecht engagierten Frauen gehen mussten, ist der Mehrheit nicht bekannt. Mit solchen Fragestellungen konfrontiert uns Jakob Lena Knebls Plakatserie zu „100 Jahre Frauenwahlrecht in Österreich“, aber wie so oft begegnet die Künstlerin auch diesem Thema mit dem für ihre Arbeit typischen Humor, um spielerisch einen Blickwechsel zu initiieren. In gemusterten Kleidern inszeniert sie sich betont feminin und scheint vor banale alltägliche Wahlen gestellt, nämlich jene des Nagellacks, der Schuhe, des Partners oder des Menüs. Ganz bewusst nutzt die Künstlerin Waren- und Modeästhetik als Medium für eine gesellschaftskritische Botschaft, um mittels vertrauter plakativer Bildsprache Hemmschwellen zu senken und Aufmerksamkeit für dieses Thema zu wecken. Ihre parodistische Interpretation verdeutlicht unverblümt, welche anderen und gewichtigeren Wahlmöglichkeiten Frauen heute zur Verfügung stehen.

Vor allem die in Großbritannien aktiven Suffragetten hatten erkannt, dass sie ihren Kampf um politische Partizipation nicht ohne öffentliche Sichtbarkeit erreichen würden, und schreckten auch vor performativem, mitunter riskantem „Körpereinsatz“ nicht zurück. Das reichte von Märschen und zivilem Ungehorsam wie kollektivem Rauchen in der Öffentlichkeit, was Frauen untersagt war, bis hin zur Zerstörung weiblicher Akte in öffentlichen Museen. Durch diese gemeinschaftlich organisierten Handlungen und die buchstäbliche Körperpräsenz wurde den Suffragetten mediale Aufmerksamkeit zuteil, die eine andauernde Debatte ihrer Forderungen in der Öffentlichkeit forcierte – eine Art Breitenwirksamkeit, wie sie sich auch Jakob Lena Knebl in ihrer künstlerischen Arbeit angeeignet hat und die sie in den Performances und inszenierten Fotografien mit dem eigenen Körper immer wieder neu auslotet.

Auf den Plakaten nimmt die Künstlerin den eigenen – üblicherweise nackt dargestellten – Körper zurück, präsentiert sich fragmentiert und richtet den Fokus auf einzelne Körperteile und Gesten, die die dargebotenen Gegenstände wie Fetischobjekte präsentieren. Die überbordenden Muster verhüllen den Körper fast völlig, der Stoff gerät zum Allover, zur Projektionsfläche und Folie für Begehren – ein parodistischer Seitenhieb auf klischeehafte Frauenbilder und jene Mechanismen, die immer wieder neue Archetypen zu generieren vermögen oder vermochten. So zweifelten schon die Gegner des Frauenwahlrechts prinzipiell an der Fähigkeit der Frau, eine objektive und rationale Entscheidung treffen zu können. Im Nebel der Geschichtsvergessenheit spricht manch einer das dem weiblichen Geschlecht auch heute noch ab. (Georgia Holz)


Jakob Lena Knebl, 1970 in Baden geboren, lebt in Wien. Sie hat an der Universität für angewandte Kunst Wien Mode bei Raf Simons sowie an der Akademie der bildenden Künste Wien textuelle Bildhauerei bei Heimo Zobernig studiert und ist an der Akademie der bildenden Künste als Senior Artist tätig. Mit ihrem Namen und ihren Arbeiten unterläuft die Künstlerin eindeutige Zuschreibungen. Grenzen zwischen Medien, Genres, Ästhetiken, Geschlechtsidentitäten, Materialitäten, Disziplinen werden dabei kontinuierlich aufgelöst. Knebls Arbeiten wurden u. a. im mumok Wien, im Belvedere 21 Wien, im Taxispalais Kunsthalle Tirol, im Pavillon der Tiroler Künstlerschaft in Innsbruck, im Kunsthaus Zürich, in der Belmazc Galerie in London und im Austrian Cultural Forum New York ausgestellt. Eine Einzelausstellung im Eli and Edythe Broad Art Museum der Michigan State University (US) ist in Planung.