Wir holen uns das goldene Vlies! 2012Fotos © Wolfgang Wössner
Helmut & Johanna Kandl

Im Zentrum der Ausstellung steht die umfangreiche, medienübergreifende Arbeit Helmut & Johanna Kandls, eines ebenso abenteuerlustigen wie produktiven Künstlerpaars, das die Kulturtechnik des Reisens vielen seiner Werke zugrundelegt. Kunst ist für Helmut & Johanna Kandl auch eine soziale Kategorie und Anstoß für mit Leidenschaft betriebenen Recherchen, die in klugen, kritischen und humorvollen Tableaus münden können, und in entschieden aktionistischen Formaten.

Der antike Mythos der Medea und Jasons, der nach Kolchis, einer Landschaft am Schwarzen Meer aufbricht, um das dort von einem Drachen bewachte Goldene Vlies des Widders zu holen ist ein Eckpunkt der Arbeit, andere sind der wilde, als exotisch empfundene Kaukasus des 19. Jahrhunderts und nicht zuletzt der freundschaftliche Kontakt des jungen Paars Bertha und Arthur zur mingrelischen Fürstenfamilie Dadiani.

Im Frühjahr 2012 brechen auch Helmut und Johanna Kandl in einer Art Reenactment nach Georgien auf, beginnen intensive Recherchen, spüren Nachkommen der Dadianis ebenso auf, wie sie die Originalschauplätze in Tbilisi, Gordi und Zugdidi besuchen. Sie schließen Freundschaft mit HistorikerInnen, AutorInnen, Fotografen und der Sängerin Megi Chilchradze die die Hauptrolle im Film "Wir holen uns das Goldene Vlies!" übernimmt.

Für das private Schlosstheater der Dadianis in Gordi schreibt Bertha von Suttner den Einakter 'L' Èducation der Rosette'. Helmut & Johanna Kandl spüren das Manuskript im Genfer Völkerbundarchiv auf, Oliver Hölzl übersetzt es vom Französischen ins Deutsche. Für die Aufführung der Gesellschaftskommödie in kleinstem Kreis übernehmen Bertha, Arthur und Mitglieder der Fürstenfamilie die Rollen. Bertha, eine gescheiterte Sängerin, schrieb sich Auftritte ins Stück und sang 'C'est l'histoire amoureuse', die sogenannte Lacharie aus der Oper 'Manon Lescaut' von Daniel-Francois Esprit Auber, und 'La Timbale d'Argent' aus der Operette von Léon Vasseur.

Die beiden vergessenen Arien werden im Video, das die Künstler in der Umgebung der heute zur Ruine verfallenen Sommerresidenz der Dadianis in Gordi aufgenommen haben, zu neuem Leben erweckt. Auf das antike Kolchis, Heimat der Medea, nehmen Helmut und Johanna Kandl ebenso Bezug wie auf das Motiv der Flucht von Liebenden (Medea/Jason, Manon/Des Grieux, Bertha/Arthur). Die Künstler verbinden griechische Mythologie mit der Geschichte Bertha von Suttners und stellen der historischen Situation die profane Welt der Strassen, Märkte und Überlebensstrategien im Tiflis der Gegenwart gegenüber.

'Wir holen uns das Goldene Vlies' umfasst Film, Skulptur und Malerei (Tempera auf Papier) in einem installativen Set im Theatersaal des Schüttkastens Harmannsdorf. Die barocke Illusionsmalerei aus dem Umkreis Johann Wenzel Bergls beziehen die Kandls mit größter Selbstverständlickeit in ihr Werk mit ein, ganz im Sinne der legendären Querverbinderin zwischen den Welten, Bertha von Suttner.
(Brigitte Huck)