INVENTOUR 2019
Fratres – Von (un)sichtbaren Grenzen und deren Überwindung

Hintergrund
2019 wurde gefeiert. 30 Jahre zuvor wurde etwas Wirklichkeit, was davor niemand zu träumen gewagt hätte, der „Eiserne Vorhang“ wurde geöffnet. Fratres, ein kleiner Ort an der Grenze zu Tschechien, war bereits zweimal Austragungsort für künstlerisch-kritische Reflexionen zu Fragen rund um physische und mentale Grenzen. Iris Andraschek und Hubert Lobnig wurden eingeladen, ein weiteres Projekt an diesem Ort zu realisieren – erstmals mit der Möglichkeit, das dort befindliche Grenzhaus miteinzubeziehen. Neun internationale Künstler*innen wurden eingeladen, bestehende Werke zu zeigen oder neue, spezifisch für den Ort zu entwickeln.
Aus diesem Anlass hat die INVENTOUR im August 2019 Fratres und den tschechischen Grenzort Slavonice besucht, um den heute noch vorhandenen als auch gefühlten Grenzlinien nachzugehen und mit Menschen von vor Ort zu diskutieren und analysieren. Das vor 30 Jahren und sicher noch viele Jahre danach in den Köpfen vorhandene „Ende der Welt“, das die Grenze einmal markierte, ist heute ein Tor in eine überraschend inspirierende und kulturell dynamische Nachbarregion.

Grenzenlos
Bei einem Druckworkshop mit Viadukt Screen Prints wurde an die Zeit der Öffnung gedacht, es konnten Zitate aus der Dissidentenzeit von 1989 in beiden Sprachen auf Plakate gedruckt und mitgenommen werden. Das Zitat „Stille und Menschen strömen durch die Straße.“ von Oldřich Mikulášek, „Ticho a lidé proudí ulicí“ wurde besonders oft ausgewählt und von den Passant*innen mitgenommen.

Blick hinter die Kulissen
Zu einer Führung durchs Museum Humanum in der Kulturbrücke Fratres wurden die Mitarbeiter*innen der Gemeinde Waldkirchen an der Thaya eingeladen: unter dem Titel „Wie ich zum Sammler wurde“ erzählte der Sammler Peter Coreth den Besucher*innen aus der Nachbarschaft, wie er auf den abenteuerlichsten Wegen die wertvollen Objekte weltweit auffinden, erwerben und (ohne eigenes Fahrzeug) nach Fratres ins Museum bringen konnte.




Wann: 22., 23. und 24. August 2019

Wo: Fratres
Wer: Johanna Reiner, Bernadette Meissl, Gert Dressel
Mitarbeit: Fabian Hirschl, Jasmin Schaschl und Philippa (Pippa) Parragh
Was: Druck-Workshop, Führung, Erzählcafé

Wir bedanken uns für die freundliche Unterstützung und die wichtigen Informationen bei: Iris Andraschek & Hubert Lobnig (Künstler), Peter Coreth (Museum Humanum), Rudolf Hofstätter (Bürgermeister), Marcello Hrasko und Doris Zichtl (Nomaddesign), Ute Huber-Leierer (Universität für angewandte Kunst), Stephanie Klaura (FabricFabrik), Bernadette Meissl (Viadukt Screen Prints), Alexander Stipsits (Center for the Future), Vesna (Vesna Design), Christa Zahlbruckner und Fabio Gianesi (Museumsmanagement Niederösterreich)

„Es gab damals hier nicht viel und heute nicht viel. Der Unterschied ist nur, dass früher hier noch mehr Leute waren, überall lebten Familien mit Kindern. Jetzt, wenn man so schaut, sind nur mehr sehr wenige Leute da. Viele sind single. Die großen Bauernhöfe werden ja nach und nach wegrationalisiert, viele stehen leer. Im Fernsehen war letztens ein Bauer, der hat erzählt, dass er nur als Großbauer überleben kann. Was soll man mit den Kleinbauern machen? Die kommen alle auf den Arbeitsmarkt. Früher haben die Bauern sich selbst und ihre Umgebung ernährt.“
Teilnehmer, Erzählcafé

“Es war für uns eigentlich immer eine tote Grenze, die war tabu. Uns ist von klein auf erklärt worden: ‚Aufpassen, die fangen euch zusammen und erschiessen euch‘. Vor gut 15 Jahren waren Studierende der Uni Innsbruck da und sind herum gefahren und haben auf beiden Seiten die Leute interviewt. In Retz haben sie ihr Projekt dann präsentiert. Da ist rausgekommen, drüben hat man den Kindern gesagt, wenn ihr rüber geht, essen sie euch auf. Das ist zum Teil in den Nachkriegsgenerationen noch in den Köpfen drin. Dadurch ist es ein bisschen ein komischer Kontakt, den wir haben. Unsere Kinder oder Enkelkinder wachsen schon komplett anders auf.“
Rudolf Hofstätter, Bürgermeister Waldkirchen an der Thaya