What can be done? - Praktiken der Solidarität
Ausstellungsparcours im öffentlichen Raum von Traiskirchen.
Von 9. Juli bis 25. September 2022


Teilnehmende Künstler*innen: Anatoly Belov (UA), Aldo Giannotti (IT, AT), Anna Jermolaewa (RU, AT), William Kentridge (ZAF), Dariia Kuzmych (UA, DE), Alicja Rogalska (POL, GB), Kamen Stoyanov (BGR, AT), Rayyane Tabet (LBN, USA), Anna Witt (DE, AT)

Kuratiert von Michaela Geboltsberger

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Begleitprogramm
Eröffnungsfotos
Presseinformationen

















(c) Eröffnung Traiskirchen (c) Joanna Pianka


„What can be done? Praktiken der Solidarität“ ist ein Ausstellungsparcours zeitgenössischer Kunst im öffentlichen Raum in Traiskirchen und stellt Fragen nach gesellschaftlicher Partizipation und Solidarität mit Blick auf aktuelle und historische Kontexte.

Traiskirchen hat viele Facetten und eine seit dem 18. Jahrhundert reiche Geschichte als wichtiger Industriestandort, der sich nach dem Ende des industriellen Aufschwungs neu positioniert hat. In die ehemaligen Produktionshallen – in denen über lange Zeit Güter für die ganze Welt hergestellt wurden – sind längst neue Gewerbe und Dienstleister eingezogen, der einst wichtige Güter-Transportweg über den Wiener Neustädter Kanal dient nun als Naherholungsgebiet, und der Weinbau ist ein nach wie vor bedeutendes Kulturgut für die Stadt und die gesamte Region. Auch politisch ist der Geist der ehemaligen Arbeiter*innenstadt allgegenwärtig.

Traiskirchen ist aber auch ein Ort, der spätestens seit 2015 im kollektiven Gedächtnis der Österreicher*innen Spuren hinterlassen hat. Das Erstaufnahmezentrum – oder Erstaufnahmestelle Ost, wie es korrekt heißt – ist seit den 1950er-Jahren ein Spiegel geopolitischer Konflikte in Europa und darüber hinaus. 1956 kamen großteils Geflüchtete aus Ungarn in das anfänglich als Provisorium eingerichtete Aufnahmezentrum nach Traiskirchen, später aus der Tschechoslowakei, aus Chile, Polen, Rumänien, in den 1990er-Jahren Menschen, die vor den Balkankriegen flohen, und ab Ende der 1990er-Jahre Flüchtende aus Afghanistan, aus dem Irak und aus Syrien. 2015 wurde mit über 4.500 Menschen, die im Erstaufnahmezentrum untergebracht waren, ein Höchststand erreicht.

Gleichzeitig ist Traiskirchen durch eine starke Zivilgesellschaft zu einem Symbol gelebter Solidarität geworden. Es ist ein Ort voller Ambivalenz.
Angesichts des aktuellen Krieges in Europa werden neuerdings von allen Seiten Solidaritätsbekundungen ausgesprochen, und es wird zu europäischer Einigkeit und Geschlossenheit aufgerufen. Das Wort „Solidarität“ wird beinahe inflationär verwendet, und doch scheint diese nicht für alle zu gelten.

Was bedeutet Solidarität heute in Europa und darüber hinaus? Es zeigt sich, dass alte Konfliktzonen weiter bestehen und stetig neue Krisenherde dazukommen. Statt gelebter Zusammenarbeit teilen nationale Abschottungstendenzen die europäische Gemeinschaft und stellen diese auf eine harte Probe. Die COVID-19-Pandemie hat eindrücklich gezeigt, wie die Gesellschaft als Ganzes anfangs näher zusammenrückte und dann wieder verstärkt individuelle Interessen verfolgte.

Während das aktuelle Kriegsgeschehen viele Menschen fassungslos zurücklässt und die Migrationspolitik nach Lösungsansätzen ringt, werden dringend benötigte Hilfeleistungen verstärkt durch die Zivilgesellschaft erbracht. Viele Menschen fragen sich: Was können wir tun?

Hat die europäische Politik das Potenzial, einen Möglichkeitsraum für eine zukunftsfähige solidarische Gesellschaft zu schaffen? Das Aushandeln von Konzepten des Zusammenlebens findet nicht nur auf politischer Ebene, sondern auch in den Klassenzimmern, an den Universitäten, auf der Straße und vor allem im privaten Bereich statt. In Traiskirchen ist dieser Dialog deutlich spürbar.
Was kann zeitgenössische Kunst in diesem Spannungsfeld bewirken? Sie kann aufarbeiten, visualisieren, Diskurse offenhalten und vielleicht dazu beitragen, dass durch solidarisches Handeln und gemeinschaftliche Dynamiken und Initiativen in Zeiten großer Herausforderungen gesellschaftliche Gegenentwürfe greifbarer und damit vorstellbar werden.

Die ortsspezifischen Arbeiten der Ausstellung beschäftigen sich mit Themen wie Migration, persönlicher Freiheit, solidarischen Handlungen und Zivilcourage, mit aktuellen gesellschaftlichen Herausforderungen, aber auch mit persönlichen Träumen und Wünschen.