INVENTOUR REPORTAGE 2021
Verfremdung, Olivia Kienesberger

Mit meinem künstlerischen “Kommentar” beziehe ich mich auf die Installation der Künstlerin Nilbar Güres, indem ich ein möglichst realitätsgetreues Modell des Wehrturmes und der Kulisse hinter ihm, nachbaute. Mit verschiedenen Mitteln und Materialien versuchte ich den Turm zu verfremden. Dabei stellte ich mir die grundlegende Frage, was eine derartige Kunstinstallation in Menschen auslöst. Dabei zog ich auch die eingefangenen Reaktionen der Perchtoldsdorfer Bürger*innen mit ein. Die am häufigsten geäußerte Meinung war, dass eine visuelle Veränderung am Turm, die vor allem künstlich und ohne jegliche praktische Funktion ist, Aufmerksamkeit erregt. So scheint, dass der Turm so selbstverständlich für die Bürger*innen geworden ist, dass seine prächtige Erscheinung schon gar nicht mehr bewusst wahrgenommen wird. Wenn jedoch etwas verändert und der Turm in einen neuen künstlerischen Kontext gestellt wird, werden die Bürger*innen wieder aufmerksam und es findet eine Neubetrachtung des Bauwerkes statt.

Ich sammelte Ideen, skizzierte und erprobte sie anschließend an meinem Modell. Meine erste Option, um den Turm zu verändern war ihm Attribute zu verleihen, die ihn in einen neuen Kontext rückten. Der Wehrturm wurde zum Rapunzelturm. Er wurde dadurch in die Welt der Sagen und Märchen gezogen. In einem anderen Beispiel bekam er zwei Flügel zum Fliegen. Das verlieh dem Turm, der sonst ein Fels in der Brandung ist, plötzlich Leichtigkeit und Flexibilität. In einem weiteren bekam er Wurzeln, was ihn noch stabiler und standfester wirken ließ, als er ohnehin schon ist. In einem weiteren Versuch wurde der gesamte Turm eingepackt, einmal mit Alufolie, einmal mit Seidenpapier. Obwohl der gesamte Turm verdeckt und verhüllt war, erkannte man ihn sofort. Das machte ihn zugleich sichtbar und nicht sichtbar.

Olivia Kienesberger studiert seit 2020 Kunst und Pädagogik an der Akademie der Bildenden Künste Wien.