KUNST statt/oder BAU
Gespräch zur Kunst im öffentlichen Raum
Über die problematische Beziehung zweier Kunstformen
kuratiert von Michael Zinganell


am Dienstag, den 19. November 2013, 18.00 Uhr
im Kunstraum Niederoesterreich
Herrengasse 13, 1010 Wien

Der Architekturtheoretiker Michael Zinganel setzt im Gespräch zur Kunst im öffentlichen Raum mit einem vermeintlich für obsolet erklärten Genre auseinander, der "Kunst am Bau". Dass dem nicht so ist, zeigt sich nicht nur in der alltäglichen Praxis, sondern auch in den zahlreichen Kollisionen, in denen Kunst und Architektur aufeinander treffen. Zusammen mit Gabu Heindl, Stanislaus von Moos und Anselm Wagner geht Zinganel sowohl den Missverständnissen als auch den Potentialen in der Kooperation dieser beiden Bereiche nach; ergänzt von einem ironisch distanzierten Stadtrundgang mit Rupert Lehofer.

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Foto © esel

"Kunst am Bau" (wortwörtlich gemeint) fristet eine Nebenrolle als "Mauerblümchen" am Rande eines aktuell boomenden Diskurses um Aktivismus und Aktivierung, Empowerment, partizipative Aneignung und Gestaltung von öffentlichen Räumen. Nichtsdestotrotz ist "Kunst am Bau" eine gängige Praxis: Aufgrund ihres historisch gewachsenen Konkurrenz-verhältnisses finden sich Künstler_innen und Architekt_innen dabei jedoch weniger in herausragenden synergetischen Kooperationen, denn in einem Wettbewerb um Raum, Ressourcen und Aufmerksamkeit, wenngleich das gegenseitige Interesse beider doch so evident ist.
Mit Beginn der Moderne beanspruchten beide Felder Autonomie(voneinander). "Mit Adolf Loos’ Kriminalisierung des Ornaments ließ sich die Kunst am Bauwerk sogar in die Nähe moralisch, sozial und wirtschaftlich bedenklicher Tätowierungen rücken. Nun ist in den letzten beiden Jahrzehnten nicht nur das Tattoo in der Mitte der Gesellschaft angekommen" (A. Wagner), sondern auch das Ornament am Bauwerk. Mit der (Spät-)Moderne wurde im Sinne einer Humanisierung der kalten rationalen Formensprache die Synthese von Kunst und Architektur eingefordert. Architektur wurde zwar als raumbildende, monumentale Großskulptur konzipiert, sollte jedoch gleichzeitig als öffentlich wirkmächtiger Bildträger politischer Botschaften dienen – und zusätzlich Spielstätte sozialer Begegnungen werden.
Heute konkurrieren beide Felder – Kunst und Architektur – vielfach in einem Wettbewerb im Dienste der Selbstdarstellung ihrer Auftraggeber. Auch als visuelle Landmarks und Verstärker der Markenpolitik sowie als Teil postfordistischer Erlebniswelten sind Kunst und Architektur in der Mitte der Gesellschaft angekommen. Der "Kunst und Architektur Komplex" (Hal Foster) beschränkt sich nicht nur auf post-revolutionäre Gesellschaften, Großunternehmen oder Metropolen, sondern erfasst auch kleinste Gemeinden und Institutionen insbesondere Kulturbauten und Festivals.
Lässt sich angesichts dieser Konstellation noch eine Kunst am Bau realisieren, die nicht dem Bauprozess zeitlich vorgezogen wird oder dem Bauwerk nachfolgt, die nicht vom Bauwerk losgelöst wird, und trotzdem einen kritischen gesellschaftlich relevanten Beitrag repräsentiert?
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Ablauf:
18:00 Szenischer Parcour von Rupert Lehofer, Schauspieler und Regisseur und Michael Zinganel, Kulturhistoriker und Künstler, Wien

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19:00 Vorträge von Stanislaus von Moos, Kunsthistoriker, Luzern: „Das spezifische Gewicht der Architektur“
Anselm Wagner, Kunsthistoriker und Architekturtheoretiker, Graz: „Tattoo am Bau“
Gabu Heindl, Architektin, Wien: „Tati am Bau: Kino Kunst Architektur“
Konzipiert von Michael Zinganel

Biographien:
Gabu Heindl, Architektin, Studium der Architektur an der Akademie der Bildenden Künste in Wien, an der Geidai University in Tokyo und an der Princeton University, USA. Seit 2007 Lehrende am Institut für Kunst und Architektur an der Akademie der Bildenden Künste Wien, zuvor an der TU Graz, TU Delft und am Berlage Institute Rotterdam. Mitglied des Architekturbeirats der BIG und Vorstandsvorsitzende der ÖGFA; Realisierungen öffentlicher Kultur- und Sozialbauten sowie Forschungen und Publikationen zu Arbeit, Urbanität und Alltag. Publikationen in Fachzeitschriften wie JAE, Umbau, Volume, dérive, u.a.; Bücher: Arbeit Zeit Raum. Bilder und Bauten der Arbeit im Postfordismus (2008), position alltag – architecture in the context of everyday life (2009), Just Architecture, Gast-Herausgeberin era21 no.1/2012.


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Rupert Lehofer, Schauspieler, Dramaturgie und Text; u.a. beim TiB/Graz und Tag/Wien, Auseinadersetzung mit Kunst und Architektur in Heisse Luft. Ein regionales Branding-Theater (2008). http://mhmz.at/2008/09/10/heis...
Stanislaus von Moos, Kunsthistoriker, geb. 1940 in Luzern. Verfasser von Monografien über Le Corbusier (1968; engl. Neuausgabe 2009), italienische Architektur der Renaissance (Turm und Bollwerk, 1976), die Architektur von Venturi, Scott Brown & Associates (1.Band 1987; 2.Band 1999), zur Designgeschichte der Schweiz (Industrieästhetik, 1992). 1983-2005 Professor für moderne und zeitgenössische Kunst an der Universität Zürich. Seit 2010 Gastprofessor an der Yale School of Architecture. Arbeitet an Projekten zur modernen Architektur in der Schweiz sowie zu Fragen im Spannungsfeld von Bildender Kunst und Architektur im 20. Jh.

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Anselm Wagner, Univ.-Prof. Mag. Dr., 1965 in Salzburg geb., Studium der Kunstgeschichte und Philosophie in Salzburg und München, 1992–96 Mitbegründer und Leiter der Galerie 5020 in Salzburg, Lehrtätigkeit an Universitäten in Salzburg, Wien und Graz, Redakteur der Kunstzeitschriften frame und spike, Gastprofessuren an der TU Wien, der TU Graz und der University of Minnesota, USA. Seit 2010 Professor für Architekturtheorie an der TU Graz. Jüngste Publikationen: Abfallmoderne. Zu den Schmutzrändern der Kultur (2. Aufl. 2012); Was bleibt von der 'Grazer Schule'? Architektur-Utopien seit den 1960er Jahren revisited (2012); Is There (Anti-)Neoliberal Architecture? (2013).

Michael Zinganel, Architekturtheoretiker, Künstler und Kurator, Ausstellungen und Projekte über Planungsmythologien und Alltagsarchitektur, über die Produktivkraft des Verbrechens für die Entwicklung von Sicherheitstechnik, Architektur und Stadt, über Tourismus und Migration. Von 1996 bis 2003 Kurator für Bildende Kunst im Forum Stadtpark Graz; Lehrtätigkeiten an unterschiedlichen Universitäten und Akademien; zuletzt 2011/2012 wissenschaftlicher Mitarbeiter am Bauhaus Kolleg, der Postgraduate Akademie der Stiftung Bauhaus Dessau. 2012 Mitbegründer von http://www.tracingspaces.net