Tatiana Lecomte „Frauen und Mädchen!“
Intervention beim Palais Niederösterreich
Herrengasse 13, 1010 Wien
17. bis 17. November 2018

Ein Projekt der Abteilung Kunst und Kultur des Landes Niederösterreich / Kunst im öffentlichen Raum mit Unterstützung des Kunstraum Niederoesterreich und des Palais Niederösterreich.







Fahne Nr. 1:
Karoline von Perin, Iduna Laube
„Es ist billig, daß allen weiblichen Unterthanen zugestanden werde, daß sie vollkommen gleiche Rechte mit der männlichen Einwohnerschaft behaupten […].“[1]

„Frau Pauli […] forderte die Frauen auf sich in Organisationen zusammenzufinden, um gegen Reaktion und Terror, die größten Feinde der Frauenfreiheit, vereint und schlagkräftig vorgehen zu können.“[2]

Tatiana Lecomte hat diese zwei Zitate sowie 50 weitere Textstellen aus Zeitschriften, Vorträgen und Petitionen ausgewählt, um an eine Periode von 70 Jahren (1848–1918) im Kampf für Frauenrechte in Österreich zu erinnern – 70 Jahre, in denen Frauen sich nicht in Vereinen zusammenschließen und für ihre politische Teilhabe eintreten durften; 70 Jahre, in denen sie trotzdem Wege fanden, gemeinsam ihre Anliegen zu vertreten. Die meist anonymen Zitate werden knapp zwei Monate lang als Flugblätter vor dem Palais Niederösterreich verteilt. Zusätzlich erinnern wöchentlich wechselnde Fahnen an Vertreterinnen der österreichischen Frauenbewegung.

Die Künstlerin greift mit dieser Aktion in die offizielle Erinnerungspolitik im öffentlichen Raum ein. Sie macht Frauen und deren Kampf für Gleichberechtigung sichtbar, ohne diesen Frauen ein herkömmliches Denkmal zu setzen. Den auf das Überdauern angelegten Monumenten setzt sie die ephemere Qualität ihres Projekts entgegen: Mit der Form des Flugblatts greift sie mediale Strategien auf, die schon 1848 genutzt wurden, um für revolutionäre Anliegen zu werben. Statt das Gedenken an einem einzelnen Punkt in der Stadt zu bündeln, streut Lecomte Texte aus der Vergangenheit in alle Richtungen. Und anstatt an eine große Frau zu erinnern, verweist sie auf die Bestrebungen von unzähligen Frauen, darunter auch viele, von denen wir nicht einmal den Namen kennen.

Die zu Beginn zitierten Textstellen legen eine Geschichte der Emanzipation nahe, die einen roten Faden hat – einen Anfang, einen Höhepunkt und ein Happy End. Doch obwohl die Texte in chronologischer Reihenfolge verteilt werden, sind sie nicht darauf angelegt, eine lineare Geschichte zu erzählen. Vielmehr kommen viele verschiedene Stimmen zu Wort, und unterschiedliche Interessen treten zutage: etwa die von Vertreterinnen der Arbeiterbewegung und von Grundbesitzerinnen, von Lehrerinnen und Künstlerinnen oder auch die von Leiterinnen katholischer sowie jüdischer Wohltätigkeitsvereine. Zusätzlich äußern sich auch Männer – solche, die Frauen unterstützten, und solche, die den Status quo beibehalten wollten.

Indem die Künstlerin die von ihr ausgewählten Textstellen als Flugblätter drucken lässt, gibt sie diesen Splittern vergangener Debatten eine neue Form und trotz aller Flüchtigkeit einen neuen materiellen Körper. Das unkommentierte Nebeneinander einzelner Textfragmente entspricht dabei dem Prinzip der Montage.

[1] Gleichstellung der Rechte der Frauen mit jenen der Männer, Flugblatt, Wien 1848.
[2] Erste politische Versammlung des allgemeinen österreichischen Frauenvereins, in: Zeitschrift für Frauen-Stimmrecht, Wien: Dezember 1918.