anette wehrmann, betrifft scheibbs. leben in einer österreichischen stadt
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anette wehrmann


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betrifft scheibbs. leben in einer österreichischen stadt



"Betrifft Scheibbs. Leben in einer österreichischen Stadt", ein temporäres Kunstprojekt für eine kleine Stadt, dient als Ausgangspunkt für weitere Überlegungen zu strukturellen Veränderungen, die viele europäische Städte quer durch die verschiedenen kulturellen und regionalen Bedingungen betreffen. "Leben in einer österreichischen Stadt" kann also auch als Anlassfall betrachtet werden, über Abwanderung und Identität, über Lebenskonzepte und über die Rolle der Kunst als Generator und Initiator in weiter gefassten gesellschaftlichen Zusammenhängen nachzudenken – bis hin zu "Leben in einer europäischen Stadt". Temporäre Kunstprojekte, die sich auf die Stadt, den konkreten Ort und die Bevölkerung, einlassen bzw. mit dieser arbeiten, setzen Kommunikationsprozesse in Gang, deren Ausgang nicht vorhersehbar ist – sofern diese nicht als kalkulierter "Aufreger" angelegt sind. Das Projekt war als kleines, feines Eindringen in Strukturen konzipiert, die die eingeladenen KünstlerInnen konkret nicht kannten, die sie aber mit Aspekten konfrontierten, die sie doch auf verschiedene Art und Weise immer auch in einen Bezug zu anderen Erfahrungen setzen konnten. Gilt in der Kunstwelt der letzten Jahre das Herumjetten von einem großen Kunstevent, von einer als trendig betrachteten Metropole zur anderen als Erfolgsgarant und Markenzeichen, so stellte "Betrifft Scheibbs" die Frage nach den leisen Tönen der Unaufgeregtheit auf dem Lande – fernab des großen Kunstdiskurses. Und doch sollte das Projekt auf einer Offenheit basieren, die in der konkreten Produktion in einer bestimmten Zeit keine vorgefassten Erwartungshaltungen erfüllen und keine "Problemlösungen" anbieten sollte – Produktionsbedingungen also, die die KünstlerInnen freispielen sollten von Effizienz- und Relevanzdruck, wie er ansonsten oft in Kunstinstitutionen und den damit verbundenen Rezeptions- und Machtmechanismen vorherrscht, denen man sich als Künstler mit aller Raffinesse der Unterwanderung kaum entziehen kann. Befreit von diesem Relevanzdruck ist es vielleicht gerade dann möglich, eine Veränderung zu erzeugen – sowohl für die beteiligten KünstlerInnen als auch für die BewohnerInnen –, die über die konkrete Situation hinauswächst.
In der Gemeinde schwelende oder offene Streitigkeiten können wir als InitiatorInnen des Projektes, die wir nicht in Scheibbs leben, nur anhand unseres Vorstellungspotenzials imaginieren. Gesellschaftliche Codes sowie familiäre Bindungen sind in einer kleinen Stadt viel bestimmender, weil unausweichlicher.
Umso erfreulicher war die positive Aufnahme des Projektes vor Ort, die sich im Besonderen dem unermüdlichen Einsatz des lokalen Kulturvereins verdankte. Scheibbs ist nun also aufgerufen, aus der Konfrontation mit diesen temporären Projekten eine Vision für eine neue Art von Nachhaltigkeit zu entwickeln. Durch die Offenheit der Scheibbser konnten die KünstlerInnen Fragen stellen, die weit über Scheibbs hinausreichen. Scheibbs wird somit zum Modellfall – nicht nur einer österreichischen Stadt, sondern einer Stadt in einer Region, die abseits der Zuwanderungsströme von größeren Städten liegt und somit ein Phänomen widerspiegelt, das unabhängig von der spezifischen kulturellen Ausprägung ganz Europa betrifft.

Annette Wehrmann beobachtete die Anwesenheit der Abwesenheit über das singuläre Objekt der Parkbank in ihren vielfältigen Ausformulierungen in Scheibbs – und fügte diesen eine eigens von ihr entwickelte Parkbank als Geschenk an die Stadt hinzu – eine von der Geschichte unbesetzte Parkbank, die offen ist für das, was kommt. So stand der sehr direkte und individuelle Kontakt der angereisten KünstlerInnen zu individuellen BewohnerInnen der Anonymität der ungenutzten Parkbänke, die für eine "allgemeine" Öffentlichkeit bestimmt sind, gegenüber. Geschichte – in der weiteren sowie in der aktuellen Vergangenheit bis zur Gegenwart – wird der Anonymität enthoben und eröffnet so die Möglichkeit, sich konkret mit dem Körper der Gesellschaft zu konfrontieren und diese Kunstprojekte als Anlass zu nehmen, für die Zukunft einzutreten.

Annette Wehrmann verstarb überraschend im Mai 2010.

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