hilde fuchs, gemischte gefühle<br />
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hilde fuchs, gemischte gefühle<br />
 

hilde fuchs


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gemischte gefühle



Reinsberg war, wie schon 1999 mit "Gemeinsame Sache", Ausgangs- und Produktionsort für das Projekt "Gemischte Gefühle". Fünf KünstlerInnen ließen sich über einen längeren Zeitraum im Dorf nieder und befassten sich mit lokalen Ereignissen, Geschichte(n), mit Menschen und Institutionen, dem öffentlichen Leben, sozialen Konfliktlinien und touristischen Selbstdarstellungsstrategien des Ortes. Der eigentliche Effekt von "Gemischte Gefühle" steckte zwischen den Zeilen. Initiiert von dem Autospengler und unermüdlichen Betreiber der kulturellen Aktivitäten im Dorf, Karl Prüller (die experimentelle Burgruine und deren Bespielung und die Betreibung der Biogastronomie ebendort ist ebenfalls seinen Initiativen zuzuschreiben), waren die gesamten Vorbereitungen und Realisationen Teil einer intensiven oben erwähnten diskursiven Operation. Eine Gruppe von KünstlerInnen zusammenzustellen, die Interesse an ortsspezifischer Kleinarbeit fanden, sich in eine interne und externe Diskussion einließen, den Schritt in ein auf dem ersten Blick verschlossenes Dorf machten, ebenda recherchiert, war speziell im Projekt Reinsberg 2001 eine permanente Gratwanderung. Verschlossenheit und Offenheit, Interesse, Diskussion und Verdeckung, offene und geschlossene Türen wechselten sich permanent ab. Durch die Nähe der Recherche und der Arbeiten am Leben im Dorf und auch aufgrund des Interesses eines Teils der KünstlerInnen, konkrete Geschichte(n) des Dorfes aufzugreifen, ergab sich die Möglichkeit von "wirklicher" Auseinandersetzung, die sonst in der Kunst nicht oft stattfindet. Eine Distanzierung vom Feld, eine Integrierung in ein geschlossenes Kunstsystem war in Reinsberg nicht möglich. Der Kreis der aufgenommenen Geschichte(n), der Beteiligten und der RezipientInnen war zu eng, um zu entkommen. So ergab sich z.B. in der Vorarbeit von Ricarda Denzer und Barbara Kraus über die Geschichte(n) der Hofmühle eine Diskussion mit einer Familie, dem Bürgermeister, Herrn Prüller, über die Grenzen der Einbeziehung von biografischen Details in die künstlerischen Arbeiten. Konflikte traten auf, die Weiterarbeit wurde kurzfristig untersagt, in mehreren Gesprächen wurde dann aber durchaus die Wichtigkeit verstanden, die die Einbeziehung einer solchen Einzelbiografie für das Erkennen von kollektiven Prozessen hat. Das Interesse an der Lebensgeschichte und der Behandlung einer Außenseiterin im Dorf wurde plötzlich nicht mehr als voyeuristischer Akt, sondern als Aufarbeitung einer gemeinsamen Geschichte begriffen, die über den privaten, familiären Zusammenhang hinauswies. Die Situation, dass viele KünstlerInnen aus ähnlichen Dorf- bzw. Kleinstadtsituationen kamen, eröffnete eine zusätzliche Dimension. Die Beschäftigung mit Eigengeschichte(n), Erinnerungen, vermischte sich mit der Beschäftigung mit dem Dorf. Der Titel des Projektes stand programmatisch für das Projekt, seine Verfahren und seinen Verlauf; für die "Gemischten Gefühle", die auf allen Seiten aufkommen, wenn sogenannte "Fremde" in ein Dorf kommen. Das "Gemischte Gefühl", heimisch zu sein, Vertrautheit, Überschaubarkeit zu erfahren, aber auch Gegenteile davon – draußen zu stehen, schief angeschaut zu werden, zu Gemeinschaften keinen Zugang zu haben etc. -, steht dem "Gemischten Gefühl", als Künstler, interessierte junge Menschen, Eindringlinge, Fremde, Wiener (Städter) oder linke Protestierer gesehen zu werden, gegenüber. Das von den KünstlerInnen neu adaptierte ehemalige Kaufhaus Gruber im Zentrum neben der Kirche war ein kommunikativer Knotenpunkt des Projekts. Zusätzlich bildete die Hofmühle, ein historisches Haus mit viel Geschichte(n), einen zentralen Ort.

Das Gehen in Aufmärschen und Prozessionen stand im Mittelpunkt der mehrteiligen Installationen von Hilde Fuchs mit dem Titel "Reflektorzone". Das Projekt bezog sich auf dorfgemeinschaftliche Ereignisse, wie sie z.B. an kirchlichen Feiertagen stattfinden. Besonderes Augenmerk fiel dabei auf Prozessionen und Umzüge. Im Gegensatz zu der Bewegung der Menschen stehen dabei starre Strukturen und Einrichtungen, wie die rhythmisch gesetzten Montagelöcher am Rande der Straße, in die bei der Fronleichnamsprozession Birkenäste gestellt werden. Diese ziehen sich, obwohl nur einmal im Jahr im Einsatz, entlang der Prozessionswege durch das Dorf. In der Installation von Hilde Fuchs wurden diese Montagelöcher mit rohen Birkenstämmen in der Höhe von Straßenpfeilern, mit rot/weißen Reflektoren versehen, bestückt. Auf ihre obere Schnittseiten wurden Fotografien von diversen historischen und aktuellen Prozessionszügen geklebt. Im Kaufhaus Gruber wurde eine Diaprojektion mit im Dorf gesammelten Bildmaterial von historischen und aktuellen Umzügen einer aktuell erstellten Fotoserie von Gesichtsausschnitten (Gesichtsausschnitte und Augen von ReinsbergerInnen im Rückspiegel) gegenübergestellt. Das kollektive, ritualisierte Gehen im Gegensatz zum individualisierten Autofahren. Die Positionen, ritualisiertes Kollektiv und Individuum, Gehen und Fahren, trafen in beiden Arbeiten immer wieder aufeinander. Auch die Wahrnehmung beim Vorbeifahren oder beim langsamen Hinschauen war zentrales Thema der Arbeiten.