moira zoitl, gemeinsame sache
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moira zoitl


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gemeinsame sache



Reinsberg ist eine Gemeinde mit verschiedenen Geschwindigkeiten. Beim schnellen Durchfahren umfängt einen die Geborgenheit einer Nachkriegssommerfrische: Malerisch eingebettet in eine hügelige Landschaft, mit vielen grünen Wiesen und Mischwald, Schafen und Rindern und Einzelhöfen in sonnigen Lagen. Bei ausführlicheren Streifzügen lässt sich aber auch ein anderes Reinsberg wahrnehmen, das durch intelligente Dorferneuerungsprojekte, durch Selbstvermarktung biologischer Produkte und ungewöhnlicher Kulturprojekte seine geschlossene Lage zu überwinden versucht. Fast alljährlich gibt es Künstlersymposien, Skulptureninstallationen, Ausstellungen und Internationale Musik- und Literaturfestivals. Über all dem steht gleichsam als schützender Schirm, die mittelalterliche Burgruine, die von den Rheinsbergern in jahrelanger Arbeit eigenhändig instandgesetzt und als gemeinsames Kulturforum reaktiviert wurde. Als Abschluß dieses Prozesses wurde die unkonventionelle Burgarena eröffnet, über der ein kreisförmiges Zeltdach schwebt, das von einem ausgedienten Autokran getragen wird. Nicht überall stieß die extrovertierte Architektur von Johannes Zieser im Ort auf Verständnis und nicht von allen wird die dynamische Aktivität der Kulturveranstalter mit gleicher Emphase mitgetragen, doch die überregionale Aufmerksamkeit ließ auch manche Skeptiker auf das neue Wahrzeichen stolz sein.
In diesem Ort der Ungleichzeitigkeiten zwischen wirtschaftlichen und kulturellen Offensiven und traditioneller Behäbigkeit plazierten Hubert Lobnig und Iris Andraschek ihr Projekt "Gemeinsame Sache". Gemeinsam mit den KünstlerInnen haben sie sich einige Wochenenden lang im Dorf niedergelassen und sich mit den Menschen, mit dem öffentlichen Leben und den lokalen Institutionen befasst. Sie recherchierten die sozialen Alltage ebenso wie die Topographie der touristischen Selbstdarstellung: Reinsberg an der Eisenstraße, Reinsberg im Mostviertel, das Reinsberg der Biolandwirte, Reinsberg als Kulturdorf.

Im Projektbüro hatte Moira Zoitl eine zweitelige Videoarbeit eingerichtet, die von zwei wichtigen Koordinaten landschaftlicher Aneignung ausgingen.
In einem Videofilm mit dem Titel "Das optimale Gewinnminimum" spürte sie den sichtbaren und verborgenen Machtverzweigungen der Raiffeisen-Genossenschaft nach. Interviews, Inserts und persönliche Kommentare kreisten beinahe spiralenförmig um die Praxen der Macht bis hin zu deren Reinsberger Filliale, die, als ideeler Ausgangs- und Schlußpunkt zugleich, auf kleinstem Raum noch einmal dessen ambivalente Ideologie verkörperte. Obwohl sich der Film scheinbar im Genre der TV-Reportage bewegte und sich vertrauter dramaturgischer Elemente bediente, waren es die Verfremdungen, welche die subjektiven Exkurse, die Regelverstöße, die auf verblüffende Weise Gesten und Insignien der Macht, aber auch der Ohnmacht sichtbar werden ließen.
In einem zweiten Video inszenierte sich die Künstlerin als Sporttouristin, radelte als Mountainbikerin über die Berge und montierte in diese Aufnahmen die Aufzeichnungen einer profesionellen Rennveranstaltung. Zoitl schlug also einen weiten Bogen von den Bildern der ökonomischen Aneignung zu jenen der körperlichen Verausgabung, vom Produktivitätsdogma zum Erlebnisdogma, thematisierte aber jene Allianzen, die den ländlichen Raum so raffiniert in die Zange nehmen. Beide Dogmen können sich ja deshalb so ungesört ausbreiten, weil sie sich zwar rustikal und naturverbunden tarnen, faktisch aber völlig entkoppelt haben von der Landschaft, die sie okkupieren.