andrea van der straeten, fremd
andrea van der straeten, fremd
 

andrea van der straeten


<

fremd



Der Verein MEZ veranstaltete – in Zusammenarbeit mit dem Land Niederösterreich und der Tageszeitung "Der Standard" – ein Kunstprojekt im öffentlichen Raum, und zwar im Medium Großplakat. Thematischer Anstoß und Hintergrund war das gesellschaftspolitische Motto, das die Europäische Union für 1997 gewählt hat: "Jahr gegen Rassismus und Fremdenfeindlichkeit". Sechs ausländische, in Österreich lebende KünstlerInnen bzw. Künstlergruppen gestalteten je ein Plakat. Das Projekt wurde in einer Gesamtstreuung von ca. 800 Stück im gesamten Raum Niederösterreich realisiert. Weil die Veranstalter glaubten, dass für das heutige Österreich der Begriff Rassismus, im engen Sinne einer Rassenideologie, kaum als vorwiegendes gesellschaftliches Phänomen und Problem zu bezeichnen ist, haben sie das Thema des Projekts breiter angelegt und den eingeladenen Künstlern den Titel FREMD als inhaltliche Vorgabe gestellt. Dies erschien unter anderem deswegen sinnvoll, weil ethnisch motivierte Diskriminierung auch bloß als extremer Pol eines sozialen wie individuell-psychischen Komplexes betrachtet werden kann, dem Verhaltensweisen und Einstellungen zugehören, die durchaus Teil der gesellschaftlichen Realität hierzulande sind. Gemeint ist das Gemisch von Motiven, das von harmlosen Ressentiments gegen deutsche Touristen bis zu einzelnen Fällen des blanken Rassismus reicht, von den Witzen über den ausländischen Arbeitskollegen oder der "Überfremdung" als Schlager politischer Wahlkämpfe bis hin zur aktuellen, restriktiven Asylpolitik der Regierung und dem von ihr verantworteten, verschärften Ausländerrecht, die Österreich, "wenn es um Integrationspolitik geht, an die letzte Stelle aller westeuropäischen Staaten befördert haben" (Der Spiegel, 10.3.1997).

Für Andrea van der Straeten bot die außerordentliche Größe des 24-Bogen Plakates ein ideales Maß, um ihre Fotografien mit grimassierenden Kindergesichtern ins Monströse zu übertragen.
Bilder von Kindern gehören neben den von Tieren zu den beliebtesten "Argumentationshilfen" der Werbeprofis. Sie stehen klicheehaft fürs Unschuldige, Herzig-Liebe und dienen, in manipulativer Ausnutzung von psychischen Reiz-Reaktions-Zusammenhängen, der subtilen Verführung. Eine völlig konträre Rolle nehmen sie in diesem Plakat ein: die grimassierenden Kinder präsentieren sich in der Maske des Fremden, sie mimen die Fratzen jener, die uns Angst machen oder erheitern solche - demonstrieren das unverfälschte Verfälschte. Sie zeigen nicht ihr Selbst noch täuschen sie es vor, sie spiegeln unverhohlen das Andere. Sie sind die überzeugenden Protagonisten jenes Spiels, das mittels Imitation die Distanz der darin begründeten Kluft ausdrückt.
Im Werbeumfeld deckte dieses Plakat kritisch die angestrengtesten Überzeugungsstrategien des Mediums auf. Im Rahmen des Projektthemas erinnert es eindrücklich daran, wieviel in uns von der spielerischen Neugier dieser Kinder auf das Fremde verloren gegangen ist.