christy astuy, fremd<br />
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christy astuy


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Der Verein MEZ veranstaltete – in Zusammenarbeit mit dem Land Niederösterreich und der Tageszeitung "Der Standard" – ein Kunstprojekt im öffentlichen Raum, und zwar im Medium Großplakat. Thematischer Anstoß und Hintergrund war das gesellschaftspolitische Motto, das die Europäische Union für 1997 gewählt hat: "Jahr gegen Rassismus und Fremdenfeindlichkeit". Sechs ausländische, in Österreich lebende KünstlerInnen bzw. Künstlergruppen gestalteten je ein Plakat. Das Projekt wurde in einer Gesamtstreuung von ca. 800 Stück im gesamten Raum Niederösterreich realisiert. Weil die Veranstalter glaubten, dass für das heutige Österreich der Begriff Rassismus, im engen Sinne einer Rassenideologie, kaum als vorwiegendes gesellschaftliches Phänomen und Problem zu bezeichnen ist, haben sie das Thema des Projekts breiter angelegt und den eingeladenen Künstlern den Titel FREMD als inhaltliche Vorgabe gestellt. Dies erschien unter anderem deswegen sinnvoll, weil ethnisch motivierte Diskriminierung auch bloß als extremer Pol eines sozialen wie individuell-psychischen Komplexes betrachtet werden kann, dem Verhaltensweisen und Einstellungen zugehören, die durchaus Teil der gesellschaftlichen Realität hierzulande sind. Gemeint ist das Gemisch von Motiven, das von harmlosen Ressentiments gegen deutsche Touristen bis zu einzelnen Fällen des blanken Rassismus reicht, von den Witzen über den ausländischen Arbeitskollegen oder der "Überfremdung" als Schlager politischer Wahlkämpfe bis hin zur aktuellen, restriktiven Asylpolitik der Regierung und dem von ihr verantworteten, verschärften Ausländerrecht, die Österreich, "wenn es um Integrationspolitik geht, an die letzte Stelle aller westeuropäischen Staaten befördert haben" (Der Spiegel, 10.3.1997).

Drei Frauen, mehr oder weniger bekleidet, vor Berglandschaft mit Wasserfall und alpenländsicher Architektur: Das Plakat von Christy Astuy überraschte erst einmal durch die Opulenz der Mittel, die Farbenpracht in der malerischen Darstellung. Gerade im Umfeld des Plakatmediums entfaltete sich - auch weil auf jeden Schriftzusatz verzichtet wurde und der Entwurf sich auf rein bildnerische Mittel beschränkte - eine Wirkung, die dort ganz ungewöhnlich ist.
Andererseits bediente sich das Sujet gängiger Klischees - Berglandschaft, Wasserfall, für den Bildungsbürger auch der Bezug zum bekannten Motiv aus der griechischen Mythologie - und näherte sich so einem Kontext der Werbung, die ausschließlich in Stereotypen spricht. Auch der verwendete Collagestil - der landschaftliche Hintergrund entstammte einem Stich aus dem 19. Jahrhundert, die Figuren wurden Gemälden der Künstlerin entnommen - machte die Gesamterscheinung des Bildes "plakativ" und erzeugte einen subtilen Kontrast.
Die drei Frauenfiguren waren malerische Porträts. Sowohl in formaler Hinsicht, der malerischen Gestaltung, wie im mimischen Ausdruck der Porträtierten zeigten sie ein Maß an Individualität und Intimität, das in diesem Medium sonst nicht anzutreffen ist. Die Figuren waren groß und prominent ins Format gestellt. Aber sie standen voneinander getrennt, für sich allein und das Bild vermittelte so gewissermaßen ein Pathos des Einzelnen, der je individuellen Frau. Im Zusammenhang des Gesamtprojekts gesehen, bezog dieses Plakat Stellung für ein striktes Prinzip des Individuellen. Es plädierte für den Einzelnen und dessen Wert, jenseits seiner Herkunft und Zugehörigkeit.